Hommage an den Zugersee

Zum Start (m)eine Hommage an den Zugersee (verfasst fürs Zuger Neujahrsblatt 2005: Juwelen in der Landschaft oder Wem gehört der See).

Manchmal gehört der See sich selbst.
An einem düsteren Novembertag,
vielleicht,
wenn grauer Nebel den See und seine Ufer verhüllt
und sich dicht und feucht übers Wasser legt.
Im Winter,
wenn die Wasseroberfläche
sich gräulichweiss im kalten Biswind kräuselt.
Im Frühling,
wenn unter dunkelblauem Himmel
der Föhn von Süden her
das grüne Wasser schäumend aufmischt.
Mitten in einer Sommernacht,
wenn das Wasser sich silbrigschwarz im Licht des vollen Mondes spiegelt.
Dann, so scheint es, gehört der See sich selbst.

Doch –
Wenn sachte die Dämmerung den neuen Tag ankündigt,
hie und da nur
das Brummen eines Autos,
das Kreischen eines Vogels,
das Bimmeln einer Glocke zu hören ist,
wenn das Licht einer Strassenlaterne
sich im kräuselnden Wasser spiegelt –
frühmorgens,
bevor der Tag erwacht,
gehört der See dem Fischer.

Wenn laut und lang
der warme Ton eines Horns die Luft durchdringt
und Möwen
kreischend das Weite suchen,
wenn blank poliert und
voll besetzt
ein Passagierschiff vom Steg ablegt,
es schnurgerade Kurs auf die nächste Haltestelle nimmt
und dabei stolz und schwer das Wasser durchpflügt,
dann gehört der See dem Kapitän.
 
Wenn beim Choller vom alten Steg
Sanft ein Kajak ins Wasser gleitet,
das Paddel leise ins Wasser eintaucht
und endlose Kreisel
und weiche Wellen macht,
wenn die Spitze des schlanken Bootes
in Richtung der nahen Stadt zu zeigen scheint
und beim Brüggli
die grüne Insel umschifft,
dann gehört der See der Kanutin.

Wenn es Sonntag ist und sommerlich warm,
ein sanftes Lüftchen weht, die Sonne scheint,
wenn Fische beissen und Tauchgründe locken,
wenn dicht an dicht
geölte Körper sich im Schwimmbad sonnen,
Wasserratten vom Floss kopfüber ins Nass eintauchen,
wenn andere entlang der Ufer joggen, schlendern, radeln,
und Boote tuckern und Segel flattern,
an solchen Tagen gehört der See dem Volk.

Wenn Brutzeit ist im Frühling,
wenn junge Enten tauchen lernen
oder Libellen ihre Larven ablegen,
wenn Blumen blühen,
Möwen kreischend nach Beute tauchen,
wenn Schwäne fauchen,
Jungfische Schutz suchen
und Hechte jagen,
wenn Vögel brüten und Frösche quaken,
dann gehört der See den Tieren.

Doch immer auch gehört der See sich selbst.

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